Von der Ausschreibung zur Allianz: Schulessen neu gedacht

Status quo: Wie Schulessen heute organisiert ist

Das deutsche Schulessen ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft: voller Potenzial, aber gefangen in Strukturen, die Kindern, Landwirt:innen und Kommunen oft nur begrenzt gerecht werden.

  • Organisation & Vergabepraxis

    Schulessen liegt in der Verantwortung der Kommunen und Kreise, die es nach EU-Vergaberecht ausschreiben. Ab einem Schwellenwert von rund 214.000 € sind EU-weite Ausschreibungen Pflicht. Das führt dazu, dass vor allem große Catering-Konzerne den Zuschlag erhalten. Kleine, regionale Betriebe sind in diesem System kaum konkurrenzfähig.
  • Cook-&-Chill statt Frischkochen
    In vielen Schulen werden Mahlzeiten zentral vorgekocht, gekühlt, über weite Strecken transportiert und in der Schule wieder erwärmt. Dieses Cook-&-Chill-System ist industriell effizient, aber es entfernt Kinder von dem, was Essen eigentlich bedeutet: Frische, Nähe, Gemeinschaft.
  • Qualität & Standards
    Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat Qualitätsstandards für die Schulverpflegung entwickelt. Sie werden vielerorts angewandt, bleiben jedoch oft unverbindlich. Berlin ist bislang das einzige Bundesland, das allen Grundschüler:innen ein kostenfreies Mittagessen garantiert. In den meisten Regionen zahlen Eltern Beiträge – für Kinder aus armutsgefährdeten Haushalten ein Hemmnis.
  • Lebensmittelverschwendung
    Exakte Daten für Schulmensen fehlen, doch Studien wie ReFoWas weisen auf erhebliche Abfallmengen hin: Portionsgrößen, Menüwahl und unflexible Essenszeiten führen zu vermeidbaren Resten. Bundesweit werden jährlich 10,9 Mio. Tonnen Lebensmittel weggeworfen (UBA 2024) – Gemeinschaftsverpflegung, inklusive Schulen, ist ein relevanter Anteil davon. Abfälle bedeuten nicht nur Ressourcenverschwendung, sondern auch hohe Zusatzkosten.
  • Nutzung
    2023 hatten rund 69 % der 6–17-Jährigen Zugang zu einem Schulessen; etwa 57 % nahmen es mindestens einmal pro Woche in Anspruch. Mit der Ausweitung von Ganztagsschulen wächst die Nachfrage – aber das Vertrauen in Qualität und Geschmack ist vielerorts brüchig.

 

Fazit: Schulessen in Deutschland ist ein notwendiges System ohne einheitliches Leitbild. Ausschreibungen, Konzerndominanz, Transportwege und Lebensmittelverschwendung prägen die Realität – Bildung, Nachhaltigkeit und Regionalität bleiben Nebenrollen.

Internationale Vorbilder: Was andere Länder vormachen

Andere Länder zeigen, wie es besser geht:

  • Finnland & Schweden: Seit Jahrzehnten gesetzlich verankert, erhalten alle Schüler:innen kostenlose, frisch zubereitete Mahlzeiten – finanziert über Steuern, eingebettet in Bildung und Gesundheit. Langzeitstudien belegen bessere Lernleistungen, gesündere Entwicklung und sogar höhere Einkommen im Erwachsenenalter.
  • Japan: Schulessen ist Ernährungsbildung. Kinder helfen beim Kochen, Servieren und Aufräumen. Das Konzept Shokuiku verbindet Esskultur, Wertschätzung und Hygiene – Schulessen ist Teil des Unterrichts, nicht nur Pausenfüller.
  • Frankreich: Ab 2025 sind Plastikbehälter verboten, 50 % der Lebensmittel müssen bio oder regional sein. Nachhaltigkeit ist hier Gesetz, nicht Wahlmöglichkeit.
  • Brasilien: Nationale Programme verpflichten Caterer, einen Mindestanteil ihrer Zutaten von lokalen Kleinbauern zu beziehen. Schulverpflegung stärkt so zugleich Ernährungsgerechtigkeit und regionale Wirtschaft.

Lehre: Erfolgreiche Systeme basieren auf klaren Standards: kostenfreie Mahlzeiten für alle, Frischkochen vor Ort, nachhaltige Beschaffung und gemeinschaftliche Essenszeiten als Bildungserlebnis.

Vision: Schulessen als Schlüssel für eine bessere Welt

Stell dir vor: Jedes Kind in Deutschland bekommt täglich eine frisch gekochte Mahlzeit – kostenlos, gesund, voller Geschmack und Lebenskraft. Aber es ist weit mehr als ein Mittagessen. Es ist der Herzschlag einer neuen Kultur des Miteinanders, in der Ernährung nicht nur satt macht, sondern verbindet, heilt und Zukunft gestaltet.

Die Kantine der Schule ist nicht länger ein Abstellraum mit Warmhaltecontainern. Sie ist ein House of Food – ein offenes Quartiershaus, in dem gekocht, gelernt, gelacht und geteilt wird. Hier treffen sich Schüler:innen, Senior:innen aus dem benachbarten Wohnheim und Studierende aus dem Viertel. Alle essen zusammen, helfen beim Kochen, probieren neue Rezepte, lernen voneinander. Essen wird zum täglichen Ritual von Gemeinschaft und Zugehörigkeit.

Im Schulgarten wachsen Tomaten, Kräuter und Kürbisse. Die Möhren kommen vom Hof ein paar Straßen weiter, die Milch vom regionalen Bauern, die Äpfel aus der Streuobstwiese vor der Stadt. Landwirt:innen werden wieder zu vertrauten Gesichtern. Kinder sehen, riechen, schmecken, wie Natur und Arbeit miteinander verwoben sind. Landwirtschaft, die im Einklang mit Planetary Health steht, wird so zur Basis des Alltags.

So entsteht ein Kreislauf: lokal, regenerativ, gerecht.

  • Lebensmittel aus der Region fließen direkt in die Küchen.
  • Überschüsse werden verarbeitet, geteilt oder kompostiert.
  • Wissen und Werte – vom Kochen über das gemeinsame Essen bis zur Verantwortung für Boden und Klima – prägen eine ganze Generation.
 

Und plötzlich verändert Schulessen alles:
Es senkt den CO₂-Fußabdruck ganzer Städte.

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Diana Stier

Journalistin, Hypnocoach, Inhaberin räume, Co-Founderin FoodCircle Karlsruhe & 1. Vorsitzende von Tischlein Deck Dich e.V.

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